Süße Räume für Süße Mäuse

Continuum Kollektiv im Interview

Fotos:
Fotos: Clara Läßle
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“Wir brauchen Safer Spaces!” Das hört man immer wieder, wenn man sich in der Techno-Szene herumtreibt. Junge Menschen sind auf der Suche nach Räumen, in denen sie sie selbst sein, ausgelassen tanzen, sich ausdrücken und connecten können, ohne Angst haben zu müssen, verurteilt, beurteilt oder sogar belästigt zu werden. Mit wachsender Größe und Kommerzialisierung der Szene wird es jedoch immer schwieriger, solche Räume zu finden und zu erhalten. Genau das möchte das Mainzer Kollektiv Continuum ändern.

Continuum, auch liebevoll Conti genannt, ist ein Do-it-yourself Kollektiv, wie es im Buch steht. Ungefähr elf kreative Köpfe kommen hier seit Ende 2022 zusammen und werkeln, designen, planen und tüfteln an ihrer Vision, einen freien, offenen und vor allem sicheren Raum für liebe Menschen zu kreieren und das mit ganz viel Herzblut und Liebe zum Detail. Das Motto lautet: Veranstaltungen von Süßmäusen für Süßmäuse.  

Ich treffe Eve, Nadja und Severin in den Räumlichkeiten von Kunststück Mainz. Die drei strahlen eine so unglaubliche Wärme, Ruhe und Herzlichkeit aus, dass man sich in ihrer Runde nur wohlfühlen kann. Sie sind von Anfang an Teil des Kollektivs gewesen und sprechen heute stellvertretend für den Rest des großen Teams.

Foto: Sarah Dussa (Bühne für Kuddelmuddel)

Ihr macht Veranstaltungen für Süßmäuse only. Was genau macht denn eine Süßmaus aus?

Eve: Eine Süßmaus ist für mich ein Mensch, der offenherzig ist, der sich gerne zeigt wie er ist und nicht das Gefühl hat, sich verstellen zu müssen. Vor allem, wenn es darum geht, an unseren Veranstaltungen teilnehmen zu können. Man kann auftreten, wie man sich am wohlsten fühlt. Leute, die Safer Spaces wertschätzen und dazu beitragen, dass wir alle aufeinander Rücksicht nehmen und einfach eine gute Zeit haben.

Nadja: Auf jeden Fall Menschen, die nicht ausgrenzen, die offen für Neues sind und mit sehr viel Respekt und Liebe miteinander umgehen. Das ist uns sehr wichtig.

Severin: Das sehe ich genau so!

Apropos Süßmäuse: Wer seid ihr denn? Stellt euch gerne kurz vor.

Severin: Ich bin Severin, 26 Jahre alt und komme aus dem Allgäu. Seit Ende 2019 wohne ich in Mainz und studiere Wirtschaftsingenieurwesen-Bau und bin die letzten vier Jahre ein bisschen in die Techno- beziehungsweise Elektronische Musik-Szene reingerutscht. Nadja und ich sind auch immer beim Keep Yourself Festival dabei gewesen. Das ist ein Festival im Thüringer Wald. Da sind wir auf den Geschmack gekommen, wie geil so eine Community sein kann. Wie bewusst dort gefeiert wird, wenn man es zum Beispiel mit der Hip-Hop-Szene vergleicht. Dort haben wir die Leidenschaft zur Musik gefunden. Dann kam uns die Idee, dass wir auch nicht nur Partys machen, sondern einen Raum kreieren wollen, wo alle sich wohlfühlen, offen für alle sind und Lust haben auf gute Musik. Ich selber lege auch auf. Techno – aber eher diesen klassischen, dunkleren, progressiven Techno. Das Conti war für mich immer ein Projekt mit tollen Leuten, die zusammenarbeiten, basteln und Erfahrungen sammeln.

Nadja: Ich heiße Nadja und ich komme aus Bad Kreuznach. Ich bin vor vier Jahren hierhergezogen. Ich studiere BWL und bin fast fertig. Ich habe sehr früh gemerkt, dass das nicht so wirklich meins ist, dieser Studiengang, ich mich aber schon immer für diese Eventszene und Eventmanagement interessiert habe. Durch Conti konnte ich so ein bisschen meinen Weg finden in der Eventmanagement-Szene und habe gemerkt, das ist etwas, was ich auch gerne beruflich machen würde. Ansonsten zu mir: Neben Tanzen und Feiern mache ich auch super gerne Yoga und Meditation. Das durfte ich auch ins Conti einbringen durch Workshopreihen und Conscious Conti, was wir im Winter released haben.

Conscious Continuum ist eine ganz neue Eventreihe des Kollektivs. Es ist ein ganzheitliches Konzept, welches sich im Rahmen von Workshops Themen wie Spiritualität, Räuchern, Yoga oder Ecstatic Dance widmet. Veranstaltungen für Körper, Geist und Seele!

Eve: Ich bin Evelyn. Ich habe in meinem Leben schon viel angefangen und viel wieder aufgehört. Ich wohne seit vier oder fünf Jahren in Mainz und hätte auch nicht gedacht, dass ich so lange hier bleibe oder generell länger an einem Ort bleibe. Das ist aber dadurch entstanden, dass ich hier meine Friends und damit auch meine Family gefunden habe. Das bedeutet mir so ziemlich alles. Ich habe angefangen zu studieren und wieder aufgehört. Dann habe ich einen neuen Studiengang angefangen und wieder aufgehört oder bin gerade noch dabei. (Lacht) Dann kam mein Quereinstieg in Veranstaltungen, weil ich selber immer gerne Hauspartys geschmissen habe, in größerem Stil mit Dekorieren und sowas. Und irgendwie ist das immer weiter gewachsen und man hat eine Möglichkeit gefunden, sich auszutoben. Ich habe so viele Hobbies, die ich alle anfange und wieder aufhöre und dann zeitweise wieder aufgreife. Bauen, Nähen, Basteln, Malen und das kam mir dort immer zugute. Meine Rolle in diesem Ganzen ist: Ich bin einfach überall ein bisschen, in jedem Bereich. Ich verstehe nur tatsächlich von Musik nichts. (Lacht) Ich sorge dafür, dass die Räume cool gestaltet werden. Ich beschäftige mich mit den Fragen: Wie kann man Räume effizient und kreativ nutzen, was findet in welchem Raum statt und wie bewegen sich die Leute?

Foto: Clara Läßle

Was bedeutet Continuum für euch persönlich?

Eve: Continuum bedeutet für mich Community, also ein schönes Zusammenkommen mit tollen Werten, gegenseitigem Respekt und Wertschätzung. Das versuchen wir stetig aufrechtzuerhalten und hohe Standards zu wahren, was Awareness angeht, was die Aufrechterhaltung von Safer Spaces angeht und bilden uns dahingehend konstant weiter. Neben Community und Safer Spaces ist es aber auch so, dass es kein festgefahrenes Konzept gibt. Das Projekt wächst mit den Leuten, die neu dazu kommen und sich einbringen. Es gibt keine starren Grenzen nach außen und wir sind sehr offen gegenüber Leuten, die sich eigeninitiativ beteiligen wollen. Es gibt nicht diese klassische Aufgabenverteilung. Jeder findet seinen Platz und damit nimmt es immer eine Form in verschiedene Richtungen an, je nachdem, wer gerade dazu kommt. Es gibt schon einen festen Kern, Leute, die immer dabei sind, aber auch Leute, die an der Peripherie dabei sind und sehr, sehr wichtig sind. Und natürlich gute Musik. (Lacht)

Mit Awareness spricht Eve ein Konzept an, das sich mit einem respektvollen Umgang miteinander beschäftigt. Es geht darum, aufeinander aufzupassen und sensibel für Probleme zu sein. Das Ziel dabei ist es, Räume zu schaffen, in denen sich alle wohlfühlen und Übergriffigkeiten und Diskriminierung jeglicher Form nicht geduldet werden. Sogenannte “Safer Spaces”.

Nadja: Für mich bedeutet Continuum vor allem Menschen. Das sind nicht einfach nur Menschen, die aktiv mitgestalten, sondern auch alle, die zu unseren Veranstaltungen kommen. Das ist immer wie eine Familie. Man fühlt sich direkt wohl und wir haben schon oft das Feedback bekommen, dass man dort hinkommt und sich direkt zu Hause fühlt. Continuum ist für mich ein Raum zur Entfaltung und persönlichen Entwicklung. Das Konzept, das dahinter steht, ist, dass wir diesen Raum schaffen wollen für Menschen, die sich ausdrücken wollen. Ob musikalisch, mit einem Workshop oder irgendwas, was sie sonst nur zu Hause machen würden.

Severin: Wenn ich an Conti denke, ist es für mich Community, Liebe und Leidenschaft. Abschalten und mit den Gedanken weg vom Alltag zu sein. Es ist immer etwas Neues und nie gleich. Für mich ist es auch Selbstverwirklichung. Es ist erfüllend, wenn man mit einer tollen Truppe etwas Tolles organisieren kann. Man bekommt Feedback und bekommt es direkt zu spüren. Man sieht, was man geschaffen hat, und das ist einfach etwas Wunderschönes, was das Herz erwärmt. Dann ist man auf alle beteiligten Personen stolz.

Es wird schnell klar: Continuum lebt durch die verschiedenen Charaktere, die es mit Leben und Ideen füllen. Eve, Nadja und Severin stehen heute zwar repräsentativ für das Kollektiv, doch es ist ihnen unglaublich wichtig zu betonen, dass es ohne die talentierten Künstler:innen, Designer:innen, Raumgestalter:innen, Fotograf:innen und so weiter nicht das wäre, was es ist. Die Dankbarkeit und Wertschätzung für diese Gemeinschaft ist deutlich zu spüren und verleiht der Gruppe ihre herrliche Ehrlichkeit.

Man merkt, ihr brennt richtig dafür! Wie kamt ihr denn darauf, ein Kollektiv zu gründen?

Nadja: Das ist so ein bisschen aus dem Freundeskreis entsprungen, denn wir waren davor einfach eine große Freundesgruppe. Ich war damals mit einer Freundin aus dem Kollektiv spazieren und wir haben uns überlegt “Wie cool wäre das eigentlich, so eine eigene große Veranstaltung zu machen nach unseren Vorstellungen und Werten?" Parallel dazu ist der Funke auch schon bei Severin und Ricky entfacht, die gesagt haben, dass sie voll Lust hätten, ihr eigenes Ding zu machen und eine Veranstaltungsreihe zu gründen.

Diese Funken wurden dann irgendwie zusammengeworfen und das große Feuer ist entstanden, was alles zum Laufen gebracht hat.

Die Grundidee ist auf dem Keep Yourself Festival entstanden, das von Freunden von uns organisiert wird. Dort habe ich eine Art von Feiern entdeckt, die ich super schön finde, weil sie rücksichtsvoll und sehr achtsam ist und man sich super wohl fühlt. Das kannte ich vorher nicht. Die Idee war, dieses Gefühl nach Mainz weiterzutragen.

Severin: Genau, das hat mir in Mainz auch gefehlt. Dieses achtsame Feiern und der liebevolle Umgang miteinander. Ich bin die letzten Jahre nicht mehr so der Club-Gänger gewesen, weil es einfach nicht mein Geschmack war. In Mainz stirbt die Clubszene ja gerade auch Stück für Stück aus. Ich finde es schön, dass dafür aber gerade so viele Kollektive aus dem Boden sprießen. Jedes davon hat seinen eigenen Stil und so können viele Geschmäcker bedient werden. Uns war es wichtig, etwas zu machen, was ein bisschen anders ist, auch von der Musik her. Wir wollten kleinere Artists oder DJs unterstützen und ihnen die Möglichkeit geben, sich auszuprobieren. Man muss sich in der Szene einfach gegenseitig supporten und Erfahrungen austauschen. Wir wollten es einfach ausprobieren und schauen, wie es läuft.

Nadja: Wir wollten einen Raum kreieren, der auch optisch ansprechend ist und dass man sich direkt wohlfühlt. Die Hauspartys von Eve waren immer die Krönung und deshalb wussten wir sofort, dass Eve dabei sein muss. Sie ist in der Hinsicht einfach nur mega!

Eve: Da sind wir auch echt krass gewachsen. Bei der ersten Veranstaltung war alles schon echt süß dekoriert, aber im Kontrast zu dem, was wir jetzt so aufziehen, ist das kein Vergleich mehr. (Lacht) Ich finde es erstaunlich, wie schnell diese Entwicklung geht. Wir waren echt grün hinter den Ohren am Anfang und dass das jetzt so eine Substanz angenommen hat und wir das wirklich Veranstaltung nennen können, ist krass.

Wie lange ist eure erste Veranstaltung denn her?

Severin: 2022 war die erste Veranstaltung. Das war im Brückenkopf, so ein kleiner privater Raum hier in Mainz. Obwohl Eve jetzt sagt, dass die Deko damals noch nicht so krass war, haben wir damals schon das Feedback bekommen, dass man in den Raum kam und direkt gemerkt hat: “Das ist hier was ganz Besonderes!” Es wurde so viel Acht auf die Raumatmosphäre gegeben, was man so noch nicht kannte. Dadurch hat sich die Anzahl der Gäste auf der zweiten Party schon mehr als verdoppelt, einfach durch Mundpropaganda.

Hattet ihr außer dem Keep Yourself Festival sonst noch eine Inspiration für die Art eurer Veranstaltungen?

Eve: Ich kannte das Keep Yourself gar nicht, aber Nadja und Severin waren so begeistert, dass sie einfach unsere ganze Freundesgruppe eingepackt und mitgenommen haben. (Lacht) Ansonsten war es für mich auch das Kabinett der Kuriositäten. Da arbeite ich auch und bin in der Organisation tätig. Als ich angefangen habe, in Frankfurt feiern zu gehen, bin ich da zufällig reingerutscht, so komplett alleine und habe mich durch diese Räume bewegt. Da hab ich gesehen, was so möglich ist und dass feiern nicht einfach nur Großraumdisco sein muss. Im Kabinett geht man beispielsweise die Treppen runter und dann ist da auf einmal ein Wald, dann bist du plötzlich in einem Zelt, wo die wildeste Musik gespielt wird. Dann da eine Feuershow und da Drag-Performances. Ich habe gesehen, wie krass man feiern gehen und Kunst verbinden kann.

Außerdem hatte ich dieses ausführliche Awareness-Konzept vorher auch noch nicht gesehen. Du wirst an der Tür schon angesprochen nach dem Motto: “Wir haben ein Awareness-Team, die sehen so und so aus, haltet eure Augen und Ohren offen.” Du weißt, an wen du dich wie wenden kannst. Ich finde, das könnte auch einfach der Standard sein!

Nadja: Das sollte der Standard sein.

Beim Kabinett der Kuriositäten ist der Name tatsächlich Programm. Die Veranstaltungsreihe vom Atelier Obskur aus Frankfurt sorgt seit Jahren dafür, dass die Techno-Szene offener und bunter wird. Detailverliebte, fast märchenhafte Kulissen, verrückte Bühnen und kuriose Gewänder entführen Besucher:innen in eine ganz andere Welt, in der das Seltsame normal und das Normale seltsam wird.

Das würde ich persönlich sehr gut finden. Hattet ihr denn vor der Gründung von Continuum auch eine Hemmschwelle, euren Plan wirklich in die Tat umzusetzen? Wenn ja, was waren die Gründe dafür?

Nadja: Kurz war eine finanzielle Hürde da. Wir wussten: “Wir müssen jetzt einen Raum mieten und der kostet irgendwie 600 Tacken. Scheiße, wie machen wir das?” Da hat man sich dann schon gefragt, ob man das wirklich machen soll und ob sich das ganze lohnt. Diese typischen Fragen, die man sich am Anfang stellt. Die waren aber sehr schnell überwunden, weil man diesen Elan und dieses Feuer hatte. Wir haben uns gesagt: “Wir ziehen das jetzt durch und wir haben Bock darauf!”

Und das hat sich gelohnt! Hattet ihr denn Ziele damals und was war eure Vision? Glaubt ihr, dass ihr die bisher schon erreicht habt?

Eve: Nach der ersten Veranstaltung waren wir voll gehyped, weil wir alles so toll fanden.

Wir haben das Potential gesehen, dass die Menschen unser Konzept wirklich annehmen und Lust darauf haben.

Wir wollten in unseren Möglichkeiten ein bisschen größer werden und schauen, wohin sich das entwickelt. Eine feste Linie gab es dabei tatsächlich gar nicht. Wir wollten uns in unserem Handwerk verbessern, die Technik optimieren, an Auflegeskills arbeiten und Raumklang, Deko und Abläufe überarbeiten. Dem Ganzen einen Feinschliff geben. Vor allem aber wollten wir selber Spaß daran haben. Es soll kein Job und keine Arbeit sein. Wir wollen uns selbst verwirklichen und bis jetzt war es gut. (Lacht)

Nadja: Die Vision war, wie gesagt, dieses Raum-Kreieren, Raum-Schaffen und ich glaube, dass es uns immer besser gelingt. Die Grundidee war von Anfang an da. Wir hatten immer Künstlerinnen und Künstler, die ihre Kunst bei uns ausgestellt hatten. Wir sind aber alle besser in unserem Tun geworden. Dadurch ist dieser Raum immer größer geworden, wir konnten uns mit anderen Kollektiven zusammentun und haben mehr Fuß gefasst. Doch die Idee, einen sweeten Safer Space zu bieten, das haben wir bereits geschafft.

Was glaubt ihr, was macht Continuum so besonders?

Severin: Nicht nur eine Party schmeißen, sondern einen Raum schaffen.

Eve: Auch wichtig ist, dass man nahbar bleibt.

Wir wollen nicht die “coolen Kids” sein, die man gar nicht kennt und die von oben herab irgendwas für irgendwen kreieren. Wir machen das für Menschen und uns selbst inklusive. Es ist von Friends für Friends!

Foto: Daniel Schmidtmann

Super schön! Was macht euch denn an der Arbeit im Kollektiv am meisten Spaß?

Eve: Ich spüre den Funken bei allen im Kollektiv entflammen, wenn wir mal ein bisschen Pause hatten und dann keimt irgendwo bei irgendwem eine neue Idee auf. Dann wirft eine Andere noch eine Idee dazu und auf einmal kommt es von allen Seiten zusammen. Dieses Brainstorming ist total geil. Wenn jeder sich an dem Prozess beteiligt und Feuer und Flamme ist. Ich persönlich liebe Werkeln, ich liebe Dekorieren und mir Sachen überlegen. Wie man die Bühne gestalten kann, wie man den Raum hübsch macht. Es geht auch viel um Konzepte. Bei der letzten Veranstaltung hatten wir den siebten Himmel als Motto. Wir haben alles flauschig, wolkig, rosa-rot gemacht.

Severin: Mir machen die Challenges Spaß. Manchmal bekommt man nicht alles hin und Krisen kommen, die man gemeinsam bewältigen muss. Man geht da ganz anders ran als bei Stress auf der Arbeit oder an der Uni. Es ist positiver Stress. Für mich als Artist macht es am meisten Spaß, Emotionen bei Menschen auszulösen, sie zum Tanzen zu bringen und sie vielleicht in eine Traumwelt mitzunehmen. Ich drücke meine Emotionen auch durch Musik aus, die ich in diesem Moment auswähle. Die Leute lächeln zu sehen und eine energetische Connection zu spüren ist so unheimlich erfüllend. Das ist ein kleiner Traum.

Nadja: Mir macht das Zusammenbringen von Menschen, die in ihrem Bereich richtig gut sind, Spaß. Ich bin oft die Person, die im Hintergrund strukturiert. Zu sehen, wie diese einzelnen Personen wachsen, sich so krass ausleben und super happy sind und auch die Gäste und Gästinnen zu sehen auf der Tanzfläche, das erfüllt mich am meisten.

Und auf welche Arbeit könntet ihr verzichten?

Eve: Tabellen und Finanzen! Schwierig.

Severin: Aus dem Bauch heraus würde ich sagen: Abbau. (Alle lachen) Wenn die Party bis neun Uhr morgens geht und man dann direkt im Anschluss abbauen und sauber machen muss, darauf würde ich gerne verzichten.

Nadja: Abbau, Nachbereitung, Excel-Tabellen - ne! Das ist ein bisschen Pain.

Das kann ich gut nachvollziehen. Worauf kann man sich einstellen, wenn man eure Veranstaltungen besucht?

Eve: Dass man sehr viele Leute trifft, die man kennt und dass es immer ein bisschen was anderes ist.

Nadja: Dass es sich lohnt, früh zu kommen, weil es oft interaktive Workshops gibt, wo man vielleicht einfach mal gemeinsam ein bisschen rum trommelt oder Graffiti-Workshops macht.

Wenn man auf eine Veranstaltung kommt, muss man damit rechnen, dass man auch was machen muss! Nicht nur Tanzen (lacht), es gibt viel zu entdecken und zu tun.

Severin: Dass man nicht nur Freunde trifft, sondern auch Freunde macht. Die Menschen, die da sind, sind meistens extrem offen und man kommt mit jedem ins Gespräch. Wir haben in der Regel eine Chill-Area, wo man sich entspannen kann und man beobachtet oft, dass Leute da hängen bleiben und sich stundenlang unterhalten. Das ist mega schön und eben auch interaktiv.

Nadja: Und dass man ein bisschen aus dem Alltag herausgerissen wird! Auf einmal ist man im siebten Himmel.

Foto: Daniel Schmidtmann

Ihr schafft ein kleines Paralleluniversum. Es kommt rüber, dass ihr Kunst sehr stark mit Musik und Feiern verschmelzen lasst. Wieso glaubt ihr, dass diese Sachen so gut Hand in Hand gehen?

Eve: Um alle möglichen Sinne zu bedienen. Wenn ich feiern gehe und ich habe vielleicht gerade keine Lust zu tanzen oder meine Beine sind müde, dann kann ich mir irgendwas anschauen.

Wir mögen diese interaktiven Elemente, dass man immer irgendwas spielen und das innere Kind rauslassen kann. Das ist Teil von diesem Paralleluniversum: diesen Club- und Feier-Begriff zu erweitern. Denn eigentlich sind wir doch alle Kinder, die Lust haben, sich auszutoben, auszuleben, zu malen und etwas zu entdecken.

So wollen wir einen Raum bieten für verschiedene Kunstrichtungen. Musik ist natürlich einer der wichtigsten Teile bei so einer Veranstaltung, aber es gibt eben auch ganz viele Wände, die man behängen und viel Kunst, die man anschauen kann.

Es ist dadurch auch die Stärkung einer ganzen Künstler:innen-Gemeinschaft. Es gibt so viele krass kreative Leute, allein in unserem Umfeld. Wir sorgen zum Beispiel dafür, dass die Räume schön sind und die Musik gut klingt. Aber es gibt bei uns super viele Leute, die auf ganz andere Arten kompetent sind. Wir haben viele Freund:innen von der Kunsthochschule. Es gibt ja sowieso das Problem mit dem Mangel an Kulturräumen oder die Schwierigkeit, dass Leute sich mit Kunst nicht so einfach finanziell über Wasser halten können. Vielleicht trägt das auch in Zukunft einen Teil dazu bei, dass wir irgendwann eine größere Lobby haben und politisch und gesellschaftlich mehr bewegen können, dass Leute tatsächlich von ihrer Kunst leben können. Wenn wir da zusammenhalten, ist das ein guter Schritt in die richtige Richtung.

Mega schön erklärt. Habt ihr denn einen bestimmten Anspruch an die Musik, die ihr spielt? Wie würdet ihr sie beschreiben und worauf achtet ihr, wenn ihr DJs bucht?

Severin: Das ist abhängig von der Location und dem Motto für die Deko und Raumgestaltung. Ich finde, das muss Hand in Hand gehen, um eine Raumatmosphäre zu schaffen. Wir versuchen ein vielfältiges Musikangebot zu bieten und jedem Event seinen eigenen Sound zu verleihen. Wichtig für uns ist es auch immer, jemanden zu haben, der noch am Anfang steht und Lust hat, sich auszuprobieren. Wie in vielen Bereichen und vor allem in der Musik ist es leider noch immer so, dass Männer dominieren. Deswegen ist für uns ein durchmischtes Lineup essentiell. Die Musik muss einfach zum Event passen. Danach suchen wir die Leute hauptsächlich aus. Doch es ist schön, wenn man jemanden kennt, der von der Musik passt und den man sowieso sympathisch findet.

Wir hatten schon Veranstaltungen, wo alles dabei war, von House bis zu Schranz. Es ist oft schwierig, eine grade Linie zu finden, auf der viele von uns spielen können und auch externe Leute. Es ist nicht leicht, das Ganze in ein Genre zu packen, bis auf elektronische Musik eben.

Was macht eine Party neben guter Musik für euch zu einer guten Party?

Nadja: Es ist in erster Linie ein Gefühl. Man fühlt sich wohl, man kann ausgelassen tanzen, es gibt ein gutes Awareness-Konzept, man hat die Möglichkeit, raus zu gehen, man hat die Option, sich hinzusetzen und zu entspannen.

Severin: Für mich ist es die Energie und die Offenheit der Menschen. Wie man sich gegenüber auftritt und sich gegenseitig behandelt. Das merkt man, wenn man an jemandem vorbei geht und sich aus Versehen anstößt oder so. Dann lächelt man sich an und entschuldigt sich, manchmal entwickelt sich ein Gespräch. Hinsetzen finde ich auch wichtig (alle lachen). Oder dass man sich nach ein paar Stunden Tanzen ein bisschen Wasser, Obst und Gemüse holen kann, um Vitamine zu tanken.

Nadja: Die Anlage ist auch wichtig. Es ist nicht schön, wenn sie zu laut ist oder kratzt. Man sollte keine bleibenden Schäden vom Event tragen. (Lacht)

Foto: Daniel Schmidtmann

Das wäre natürlich optimal. Was haltet ihr denn allgemein von der Technoszene hier im Rhein-Main-Gebiet?

Nadja: Grundsätzlich haben wir hier vor allem in Frankfurt eine sehr etablierte Szene. Sie hat sich meiner Meinung nach sehr gewandelt. Techno ist keine Nische mehr, sondern umfasst auf einmal ein sehr breites Spektrum. Dinge, die man vorher nicht unter Techno verstanden hat, sind auf einmal auch Techno. Alles ist ein bisschen mehr Mainstream, würde ich sagen. Dadurch haben sich die Techno-Veranstaltungen ein bisschen aufgesplittet in zwei verschiedene Richtungen: Wenn man das Kabinett betrachtet, dann ist das so eine ganz eigene Form von Veranstaltung im Gegensatz zu vielleicht dem Tanzhaus West. Beide haben ihre Daseinsberechtigung, aber es sind komplett verschiedene Auffassungen von Techno. Es ist eine sehr vielschichtige Szene.

Eve: Ich finde es gut, schon im Vorhinein zu checken, ob das jetzt wirklich mein Publikum ist. Das messe ich an Sachen wie: Gibt es vorher Disclaimer zum Verhalten, gibt es ein Awareness-Team, wie ist die Kommunikation, wie ist das Lineup? Ich spreche jetzt für mich, aber ist das Lineup durchgemischt oder sind es wieder dieselben weißen Cis-Dudes, die auf jeder Veranstaltung spielen und ihre Shirts irgendwann ausziehen? Davon kann man schon viel ableiten.

Ich beobachte auch mit zunehmender Sorge die Kommerzialisierung. Auf der einen Seite, klar, das ist irgendwo wichtig, um eine Veranstaltungsreihe voranzubringen und zu vermarkten, aber diese persönliche Vermarktung, also, dass Leute nur mit ihren Handys rumrennen und sich gegenseitig filmen oder fotografieren, stört mich. Deswegen ist es auch ein guter Marker, wenn Handys abgeklebt werden und man am Eingang darauf hingewiesen wird, wie man sich zu verhalten hat. Wenn es Leute gibt, die das feiern und für die das okay ist, dann ist das schön, aber ich gehe auf solche Veranstaltungen nicht. Ich finde aber, dass man höhere Standards setzen kann und deshalb haben wir einen höheren Anspruch an uns selbst wenn wir selbst veranstalten.

Dass Süßmäuse einfach Süßmäuse sein können und so kommen können, wie sie sich fühlen, ohne sich beobachtet oder eingeschränkt fühlen zu müssen. Ich finde es toll, dass die Szene queerer und offener wird. Deswegen ist es wichtig, Standards zu setzen und zu erhalten. Wenn wir und andere Kollektive dazu beitragen können, ist das super.

Severin: Was mir Sorgen macht, ist, dass Social Media die Szene so extrem beeinflusst. Für mein Empfinden leider eher negativ. Dieses achtsame und gemeinschaftliche Feiern zerbricht irgendwie. Es ist viel Profilieren durch Outfits und das gegenseitige Bewerten. Das mit den Handys geht für mich gar nicht. Es ist ja ein Ort, an dem man in einem Paralleluniversum sein möchte. Solche Sachen machen die Energie und den Vibe kaputt. Wenn andere Leute das feiern, ist das aber auch legitim. Aber ich hatte oft das Gefühl, die Leute sind gar nicht wegen der Musik und Gemeinschaft hier, sondern um zu zeigen, dass sie auch auf “Techno-Raves” gehen.

Nadja: Das ist vor allem bei der jüngeren Generation angekommen. Da sind Menschen dabei, die sehr unachtsam irgendwelche Substanzen konsumieren und das sieht man, glaube ich, auch viel auf TikTok. Das finde ich sehr erschreckend. In diese Richtung sollte die Szene nicht gehen, denn das wäre sehr schade.

Da sprecht ihr echt spannende Punkte an: Wie könnt ihr als Kollektiv diesen Entwicklungen entgegenwirken und wie tut ihr es vielleicht auch schon?

Eve: Ich glaube, da ist Aufklärung super wichtig. Wie bereits gesagt, versuchen wir, unsere Awareness-Standards hochzuhalten und uns stetig weiterzuentwickeln. Wir kommen alle nicht aus dem sozialen oder medizinischen Bereich. Wir machen das mit bestem Wissen und Gewissen und eben unserem gesunden Menschenverstand. Das hat uns bereits in mehreren Situationen gute Dienste erwiesen, doch wir merken, dass wir mit zunehmender Größe immer mehr Herausforderungen ausgesetzt werden. Da müssen wir aufpassen, dass wir korrekt handeln, denn wir tragen eine riesige Verantwortung.

Es gibt Awareness-Schulungen, die zu Kollektiven kommen, von Leuten aus dem sozialen und medizinischen Bereich. Die weisen uns ein, bereiten uns auf Vorfälle vor und zeigen uns, wie man sich in bestimmten Situationen verhält.

Oder vielleicht auch mal jemand, der Workshops gibt zu Konsumkompetenz oder Drogenaufklärung, dass man da verschiedene Bereiche abdeckt. Wir wissen schon sehr viel, aber wir schreiben uns auf keinen Fall auf die Fahne, die absoluten Profis zu sein. Wir geben den Leuten einen Raum, die das kompetent rüberbringen können.

Nadja: Genau und auch, dass wir aktiv sagen: “Come as you are”. Wenn du Bock hast, komm komplett casual oder ganz bunt. Versuch dich nicht in diese "Techno-Raver-Norm" reinzupressen. Mach, worauf du Lust hast.

Foto: Daniel Schmidtmann

Was würdet ihr Leuten raten, die selber Lust haben, ein Kollektiv zu gründen?

Nadja: Do it! Wenn man schon eine Idee hat, sollte man es versuchen. Man wächst an seinen Aufgaben und mit den Veranstaltungen, die man macht. Am Anfang läuft vielleicht super viel schief und das ist auch voll okay. Man sollte vielleicht erst mal einen kleinen Testlauf machen mit Freund:innen, mit denen man sich wohlfühlt und dann ist es auch egal, ob wie bei uns zum Beispiel die Bassboxen plötzlich nicht mehr funktionieren. (Lacht)

Eve: Vielleicht auch von Anfang an nicht die höchsten Ziele stecken. Klein anfangen!

Severin: Auf andere Leute und Kollektive zugehen. Wir sind da total offen. Wenn jemand etwas ausprobieren möchte, könnt ihr auch einfach zu uns kommen und fragen "Ey, wie habt ihr dies und das gemacht?” oder “Wie regelt ihr das?” Besonders hier im Rhein-Main-Gebiet ist man super vernetzt und man unterstützt sich, was ich mega schön finde. Aus Berlin höre ich zum Beispiel, dass alles eher Konkurrenz ist.

Einfach nachfragen. Es ist mega toll, wenn jemand neue Ideen hat und Erfahrungswerte nachfragt. Das ist wichtig. Das haben wir auch gemacht.

Eve: Tipps eingeholt, einen Van ausgeliehen und so weiter!

Das klingt wirklich hilfreich. Jetzt sagt doch mal: Wieso sollte man auf eure nächste Veranstaltung kommen?

Eve: Wir haben noch nichts Konkretes festgenagelt zur nächsten Veranstaltung. Aber man kann uns natürlich gerne folgen auf Instagram oder unserem Telegram-Newsletter. Und wieso solltet ihr kommen? Na, lest euch doch das Interview nochmal durch! (Lacht)

Severin: Lasst euch überraschen.

Ihr macht es spannend, finde ich gut. So machen wir direkt weiter und zwar mit der Einerseits-Tradition. Die letzte Frage kommt dieses Mal von Carlo und lautet: Was war deine schönste Reise?

Nadja: Für mich war es Mongolei. Das war die intensivste Reise, weil sie komplett anders war als alles andere. Wir haben in Jurten geschlafen, waren ab vom Schuss, ohne Netz. Super viel Weite und schöne Natur. Wir sind auf Pferden geritten, mein persönliches Highlight! Wir haben ein komplett anderes Leben kennengelernt.

Eve: Ich war auf Hawaii. Ein absolutes Traum-Paradies. Es ist wunderschön, es ist noch viel schöner, als man es sich vorstellt. Vielfältige Landschaft: Canyons und Tropen und riesige Berge. Ich war surfen, hab die leckersten Mangos gegessen und auf einer Farm übernachtet, wo wir die Papayas frisch vom Baum gepflückt haben. Es war toll.

Severin: Ich hatte viele schöne Reisen. Mongolei fand ich sehr schön, weil es was ganz anderes war. Ein großes Abenteuer. In Mexiko habe ich ein bisschen zu mir gefunden, irgendwie. Das war eher ein spiritueller Urlaub, würde ich sagen. Das schönste Land ist für mich Neuseeland. Das hat alles, was mein Herz begehrt.

Nadja: Wir brauchen noch etwas Philosophisches: Die schönste Reise ist das Leben an sich!

Vielen Dank liebe Eve, Nadja und lieber Severin. Ich wünsche euch, dem Conti und allen beteiligten Süßmäusen nur das Beste! Ihr seid toll.

Folgt Continuum doch gerne auf Instagram oder Telegram, um auf dem Laufenden zu bleiben.

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“Wir brauchen Safer Spaces!” Das hört man immer wieder, wenn man sich in der Techno-Szene herumtreibt. Junge Menschen sind auf der Suche nach Räumen, in denen sie sie selbst sein, ausgelassen tanzen, sich ausdrücken und connecten können, ohne Angst haben zu müssen, verurteilt, beurteilt oder sogar belästigt zu werden. Mit wachsender Größe und Kommerzialisierung der Szene wird es jedoch immer schwieriger, solche Räume zu finden und zu erhalten. Genau das möchte das Mainzer Kollektiv Continuum ändern.

Continuum, auch liebevoll Conti genannt, ist ein Do-it-yourself Kollektiv, wie es im Buch steht. Ungefähr elf kreative Köpfe kommen hier seit Ende 2022 zusammen und werkeln, designen, planen und tüfteln an ihrer Vision, einen freien, offenen und vor allem sicheren Raum für liebe Menschen zu kreieren und das mit ganz viel Herzblut und Liebe zum Detail. Das Motto lautet: Veranstaltungen von Süßmäusen für Süßmäuse.  

Ich treffe Eve, Nadja und Severin in den Räumlichkeiten von Kunststück Mainz. Die drei strahlen eine so unglaubliche Wärme, Ruhe und Herzlichkeit aus, dass man sich in ihrer Runde nur wohlfühlen kann. Sie sind von Anfang an Teil des Kollektivs gewesen und sprechen heute stellvertretend für den Rest des großen Teams.

Foto: Sarah Dussa (Bühne für Kuddelmuddel)

Ihr macht Veranstaltungen für Süßmäuse only. Was genau macht denn eine Süßmaus aus?

Eve: Eine Süßmaus ist für mich ein Mensch, der offenherzig ist, der sich gerne zeigt wie er ist und nicht das Gefühl hat, sich verstellen zu müssen. Vor allem, wenn es darum geht, an unseren Veranstaltungen teilnehmen zu können. Man kann auftreten, wie man sich am wohlsten fühlt. Leute, die Safer Spaces wertschätzen und dazu beitragen, dass wir alle aufeinander Rücksicht nehmen und einfach eine gute Zeit haben.

Nadja: Auf jeden Fall Menschen, die nicht ausgrenzen, die offen für Neues sind und mit sehr viel Respekt und Liebe miteinander umgehen. Das ist uns sehr wichtig.

Severin: Das sehe ich genau so!

Apropos Süßmäuse: Wer seid ihr denn? Stellt euch gerne kurz vor.

Severin: Ich bin Severin, 26 Jahre alt und komme aus dem Allgäu. Seit Ende 2019 wohne ich in Mainz und studiere Wirtschaftsingenieurwesen-Bau und bin die letzten vier Jahre ein bisschen in die Techno- beziehungsweise Elektronische Musik-Szene reingerutscht. Nadja und ich sind auch immer beim Keep Yourself Festival dabei gewesen. Das ist ein Festival im Thüringer Wald. Da sind wir auf den Geschmack gekommen, wie geil so eine Community sein kann. Wie bewusst dort gefeiert wird, wenn man es zum Beispiel mit der Hip-Hop-Szene vergleicht. Dort haben wir die Leidenschaft zur Musik gefunden. Dann kam uns die Idee, dass wir auch nicht nur Partys machen, sondern einen Raum kreieren wollen, wo alle sich wohlfühlen, offen für alle sind und Lust haben auf gute Musik. Ich selber lege auch auf. Techno – aber eher diesen klassischen, dunkleren, progressiven Techno. Das Conti war für mich immer ein Projekt mit tollen Leuten, die zusammenarbeiten, basteln und Erfahrungen sammeln.

Nadja: Ich heiße Nadja und ich komme aus Bad Kreuznach. Ich bin vor vier Jahren hierhergezogen. Ich studiere BWL und bin fast fertig. Ich habe sehr früh gemerkt, dass das nicht so wirklich meins ist, dieser Studiengang, ich mich aber schon immer für diese Eventszene und Eventmanagement interessiert habe. Durch Conti konnte ich so ein bisschen meinen Weg finden in der Eventmanagement-Szene und habe gemerkt, das ist etwas, was ich auch gerne beruflich machen würde. Ansonsten zu mir: Neben Tanzen und Feiern mache ich auch super gerne Yoga und Meditation. Das durfte ich auch ins Conti einbringen durch Workshopreihen und Conscious Conti, was wir im Winter released haben.

Conscious Continuum ist eine ganz neue Eventreihe des Kollektivs. Es ist ein ganzheitliches Konzept, welches sich im Rahmen von Workshops Themen wie Spiritualität, Räuchern, Yoga oder Ecstatic Dance widmet. Veranstaltungen für Körper, Geist und Seele!

Eve: Ich bin Evelyn. Ich habe in meinem Leben schon viel angefangen und viel wieder aufgehört. Ich wohne seit vier oder fünf Jahren in Mainz und hätte auch nicht gedacht, dass ich so lange hier bleibe oder generell länger an einem Ort bleibe. Das ist aber dadurch entstanden, dass ich hier meine Friends und damit auch meine Family gefunden habe. Das bedeutet mir so ziemlich alles. Ich habe angefangen zu studieren und wieder aufgehört. Dann habe ich einen neuen Studiengang angefangen und wieder aufgehört oder bin gerade noch dabei. (Lacht) Dann kam mein Quereinstieg in Veranstaltungen, weil ich selber immer gerne Hauspartys geschmissen habe, in größerem Stil mit Dekorieren und sowas. Und irgendwie ist das immer weiter gewachsen und man hat eine Möglichkeit gefunden, sich auszutoben. Ich habe so viele Hobbies, die ich alle anfange und wieder aufhöre und dann zeitweise wieder aufgreife. Bauen, Nähen, Basteln, Malen und das kam mir dort immer zugute. Meine Rolle in diesem Ganzen ist: Ich bin einfach überall ein bisschen, in jedem Bereich. Ich verstehe nur tatsächlich von Musik nichts. (Lacht) Ich sorge dafür, dass die Räume cool gestaltet werden. Ich beschäftige mich mit den Fragen: Wie kann man Räume effizient und kreativ nutzen, was findet in welchem Raum statt und wie bewegen sich die Leute?

Foto: Clara Läßle

Was bedeutet Continuum für euch persönlich?

Eve: Continuum bedeutet für mich Community, also ein schönes Zusammenkommen mit tollen Werten, gegenseitigem Respekt und Wertschätzung. Das versuchen wir stetig aufrechtzuerhalten und hohe Standards zu wahren, was Awareness angeht, was die Aufrechterhaltung von Safer Spaces angeht und bilden uns dahingehend konstant weiter. Neben Community und Safer Spaces ist es aber auch so, dass es kein festgefahrenes Konzept gibt. Das Projekt wächst mit den Leuten, die neu dazu kommen und sich einbringen. Es gibt keine starren Grenzen nach außen und wir sind sehr offen gegenüber Leuten, die sich eigeninitiativ beteiligen wollen. Es gibt nicht diese klassische Aufgabenverteilung. Jeder findet seinen Platz und damit nimmt es immer eine Form in verschiedene Richtungen an, je nachdem, wer gerade dazu kommt. Es gibt schon einen festen Kern, Leute, die immer dabei sind, aber auch Leute, die an der Peripherie dabei sind und sehr, sehr wichtig sind. Und natürlich gute Musik. (Lacht)

Mit Awareness spricht Eve ein Konzept an, das sich mit einem respektvollen Umgang miteinander beschäftigt. Es geht darum, aufeinander aufzupassen und sensibel für Probleme zu sein. Das Ziel dabei ist es, Räume zu schaffen, in denen sich alle wohlfühlen und Übergriffigkeiten und Diskriminierung jeglicher Form nicht geduldet werden. Sogenannte “Safer Spaces”.

Nadja: Für mich bedeutet Continuum vor allem Menschen. Das sind nicht einfach nur Menschen, die aktiv mitgestalten, sondern auch alle, die zu unseren Veranstaltungen kommen. Das ist immer wie eine Familie. Man fühlt sich direkt wohl und wir haben schon oft das Feedback bekommen, dass man dort hinkommt und sich direkt zu Hause fühlt. Continuum ist für mich ein Raum zur Entfaltung und persönlichen Entwicklung. Das Konzept, das dahinter steht, ist, dass wir diesen Raum schaffen wollen für Menschen, die sich ausdrücken wollen. Ob musikalisch, mit einem Workshop oder irgendwas, was sie sonst nur zu Hause machen würden.

Severin: Wenn ich an Conti denke, ist es für mich Community, Liebe und Leidenschaft. Abschalten und mit den Gedanken weg vom Alltag zu sein. Es ist immer etwas Neues und nie gleich. Für mich ist es auch Selbstverwirklichung. Es ist erfüllend, wenn man mit einer tollen Truppe etwas Tolles organisieren kann. Man bekommt Feedback und bekommt es direkt zu spüren. Man sieht, was man geschaffen hat, und das ist einfach etwas Wunderschönes, was das Herz erwärmt. Dann ist man auf alle beteiligten Personen stolz.

Es wird schnell klar: Continuum lebt durch die verschiedenen Charaktere, die es mit Leben und Ideen füllen. Eve, Nadja und Severin stehen heute zwar repräsentativ für das Kollektiv, doch es ist ihnen unglaublich wichtig zu betonen, dass es ohne die talentierten Künstler:innen, Designer:innen, Raumgestalter:innen, Fotograf:innen und so weiter nicht das wäre, was es ist. Die Dankbarkeit und Wertschätzung für diese Gemeinschaft ist deutlich zu spüren und verleiht der Gruppe ihre herrliche Ehrlichkeit.

Man merkt, ihr brennt richtig dafür! Wie kamt ihr denn darauf, ein Kollektiv zu gründen?

Nadja: Das ist so ein bisschen aus dem Freundeskreis entsprungen, denn wir waren davor einfach eine große Freundesgruppe. Ich war damals mit einer Freundin aus dem Kollektiv spazieren und wir haben uns überlegt “Wie cool wäre das eigentlich, so eine eigene große Veranstaltung zu machen nach unseren Vorstellungen und Werten?" Parallel dazu ist der Funke auch schon bei Severin und Ricky entfacht, die gesagt haben, dass sie voll Lust hätten, ihr eigenes Ding zu machen und eine Veranstaltungsreihe zu gründen.

Diese Funken wurden dann irgendwie zusammengeworfen und das große Feuer ist entstanden, was alles zum Laufen gebracht hat.

Die Grundidee ist auf dem Keep Yourself Festival entstanden, das von Freunden von uns organisiert wird. Dort habe ich eine Art von Feiern entdeckt, die ich super schön finde, weil sie rücksichtsvoll und sehr achtsam ist und man sich super wohl fühlt. Das kannte ich vorher nicht. Die Idee war, dieses Gefühl nach Mainz weiterzutragen.

Severin: Genau, das hat mir in Mainz auch gefehlt. Dieses achtsame Feiern und der liebevolle Umgang miteinander. Ich bin die letzten Jahre nicht mehr so der Club-Gänger gewesen, weil es einfach nicht mein Geschmack war. In Mainz stirbt die Clubszene ja gerade auch Stück für Stück aus. Ich finde es schön, dass dafür aber gerade so viele Kollektive aus dem Boden sprießen. Jedes davon hat seinen eigenen Stil und so können viele Geschmäcker bedient werden. Uns war es wichtig, etwas zu machen, was ein bisschen anders ist, auch von der Musik her. Wir wollten kleinere Artists oder DJs unterstützen und ihnen die Möglichkeit geben, sich auszuprobieren. Man muss sich in der Szene einfach gegenseitig supporten und Erfahrungen austauschen. Wir wollten es einfach ausprobieren und schauen, wie es läuft.

Nadja: Wir wollten einen Raum kreieren, der auch optisch ansprechend ist und dass man sich direkt wohlfühlt. Die Hauspartys von Eve waren immer die Krönung und deshalb wussten wir sofort, dass Eve dabei sein muss. Sie ist in der Hinsicht einfach nur mega!

Eve: Da sind wir auch echt krass gewachsen. Bei der ersten Veranstaltung war alles schon echt süß dekoriert, aber im Kontrast zu dem, was wir jetzt so aufziehen, ist das kein Vergleich mehr. (Lacht) Ich finde es erstaunlich, wie schnell diese Entwicklung geht. Wir waren echt grün hinter den Ohren am Anfang und dass das jetzt so eine Substanz angenommen hat und wir das wirklich Veranstaltung nennen können, ist krass.

Wie lange ist eure erste Veranstaltung denn her?

Severin: 2022 war die erste Veranstaltung. Das war im Brückenkopf, so ein kleiner privater Raum hier in Mainz. Obwohl Eve jetzt sagt, dass die Deko damals noch nicht so krass war, haben wir damals schon das Feedback bekommen, dass man in den Raum kam und direkt gemerkt hat: “Das ist hier was ganz Besonderes!” Es wurde so viel Acht auf die Raumatmosphäre gegeben, was man so noch nicht kannte. Dadurch hat sich die Anzahl der Gäste auf der zweiten Party schon mehr als verdoppelt, einfach durch Mundpropaganda.

Hattet ihr außer dem Keep Yourself Festival sonst noch eine Inspiration für die Art eurer Veranstaltungen?

Eve: Ich kannte das Keep Yourself gar nicht, aber Nadja und Severin waren so begeistert, dass sie einfach unsere ganze Freundesgruppe eingepackt und mitgenommen haben. (Lacht) Ansonsten war es für mich auch das Kabinett der Kuriositäten. Da arbeite ich auch und bin in der Organisation tätig. Als ich angefangen habe, in Frankfurt feiern zu gehen, bin ich da zufällig reingerutscht, so komplett alleine und habe mich durch diese Räume bewegt. Da hab ich gesehen, was so möglich ist und dass feiern nicht einfach nur Großraumdisco sein muss. Im Kabinett geht man beispielsweise die Treppen runter und dann ist da auf einmal ein Wald, dann bist du plötzlich in einem Zelt, wo die wildeste Musik gespielt wird. Dann da eine Feuershow und da Drag-Performances. Ich habe gesehen, wie krass man feiern gehen und Kunst verbinden kann.

Außerdem hatte ich dieses ausführliche Awareness-Konzept vorher auch noch nicht gesehen. Du wirst an der Tür schon angesprochen nach dem Motto: “Wir haben ein Awareness-Team, die sehen so und so aus, haltet eure Augen und Ohren offen.” Du weißt, an wen du dich wie wenden kannst. Ich finde, das könnte auch einfach der Standard sein!

Nadja: Das sollte der Standard sein.

Beim Kabinett der Kuriositäten ist der Name tatsächlich Programm. Die Veranstaltungsreihe vom Atelier Obskur aus Frankfurt sorgt seit Jahren dafür, dass die Techno-Szene offener und bunter wird. Detailverliebte, fast märchenhafte Kulissen, verrückte Bühnen und kuriose Gewänder entführen Besucher:innen in eine ganz andere Welt, in der das Seltsame normal und das Normale seltsam wird.

Das würde ich persönlich sehr gut finden. Hattet ihr denn vor der Gründung von Continuum auch eine Hemmschwelle, euren Plan wirklich in die Tat umzusetzen? Wenn ja, was waren die Gründe dafür?

Nadja: Kurz war eine finanzielle Hürde da. Wir wussten: “Wir müssen jetzt einen Raum mieten und der kostet irgendwie 600 Tacken. Scheiße, wie machen wir das?” Da hat man sich dann schon gefragt, ob man das wirklich machen soll und ob sich das ganze lohnt. Diese typischen Fragen, die man sich am Anfang stellt. Die waren aber sehr schnell überwunden, weil man diesen Elan und dieses Feuer hatte. Wir haben uns gesagt: “Wir ziehen das jetzt durch und wir haben Bock darauf!”

Und das hat sich gelohnt! Hattet ihr denn Ziele damals und was war eure Vision? Glaubt ihr, dass ihr die bisher schon erreicht habt?

Eve: Nach der ersten Veranstaltung waren wir voll gehyped, weil wir alles so toll fanden.

Wir haben das Potential gesehen, dass die Menschen unser Konzept wirklich annehmen und Lust darauf haben.

Wir wollten in unseren Möglichkeiten ein bisschen größer werden und schauen, wohin sich das entwickelt. Eine feste Linie gab es dabei tatsächlich gar nicht. Wir wollten uns in unserem Handwerk verbessern, die Technik optimieren, an Auflegeskills arbeiten und Raumklang, Deko und Abläufe überarbeiten. Dem Ganzen einen Feinschliff geben. Vor allem aber wollten wir selber Spaß daran haben. Es soll kein Job und keine Arbeit sein. Wir wollen uns selbst verwirklichen und bis jetzt war es gut. (Lacht)

Nadja: Die Vision war, wie gesagt, dieses Raum-Kreieren, Raum-Schaffen und ich glaube, dass es uns immer besser gelingt. Die Grundidee war von Anfang an da. Wir hatten immer Künstlerinnen und Künstler, die ihre Kunst bei uns ausgestellt hatten. Wir sind aber alle besser in unserem Tun geworden. Dadurch ist dieser Raum immer größer geworden, wir konnten uns mit anderen Kollektiven zusammentun und haben mehr Fuß gefasst. Doch die Idee, einen sweeten Safer Space zu bieten, das haben wir bereits geschafft.

Was glaubt ihr, was macht Continuum so besonders?

Severin: Nicht nur eine Party schmeißen, sondern einen Raum schaffen.

Eve: Auch wichtig ist, dass man nahbar bleibt.

Wir wollen nicht die “coolen Kids” sein, die man gar nicht kennt und die von oben herab irgendwas für irgendwen kreieren. Wir machen das für Menschen und uns selbst inklusive. Es ist von Friends für Friends!

Foto: Daniel Schmidtmann

Super schön! Was macht euch denn an der Arbeit im Kollektiv am meisten Spaß?

Eve: Ich spüre den Funken bei allen im Kollektiv entflammen, wenn wir mal ein bisschen Pause hatten und dann keimt irgendwo bei irgendwem eine neue Idee auf. Dann wirft eine Andere noch eine Idee dazu und auf einmal kommt es von allen Seiten zusammen. Dieses Brainstorming ist total geil. Wenn jeder sich an dem Prozess beteiligt und Feuer und Flamme ist. Ich persönlich liebe Werkeln, ich liebe Dekorieren und mir Sachen überlegen. Wie man die Bühne gestalten kann, wie man den Raum hübsch macht. Es geht auch viel um Konzepte. Bei der letzten Veranstaltung hatten wir den siebten Himmel als Motto. Wir haben alles flauschig, wolkig, rosa-rot gemacht.

Severin: Mir machen die Challenges Spaß. Manchmal bekommt man nicht alles hin und Krisen kommen, die man gemeinsam bewältigen muss. Man geht da ganz anders ran als bei Stress auf der Arbeit oder an der Uni. Es ist positiver Stress. Für mich als Artist macht es am meisten Spaß, Emotionen bei Menschen auszulösen, sie zum Tanzen zu bringen und sie vielleicht in eine Traumwelt mitzunehmen. Ich drücke meine Emotionen auch durch Musik aus, die ich in diesem Moment auswähle. Die Leute lächeln zu sehen und eine energetische Connection zu spüren ist so unheimlich erfüllend. Das ist ein kleiner Traum.

Nadja: Mir macht das Zusammenbringen von Menschen, die in ihrem Bereich richtig gut sind, Spaß. Ich bin oft die Person, die im Hintergrund strukturiert. Zu sehen, wie diese einzelnen Personen wachsen, sich so krass ausleben und super happy sind und auch die Gäste und Gästinnen zu sehen auf der Tanzfläche, das erfüllt mich am meisten.

Und auf welche Arbeit könntet ihr verzichten?

Eve: Tabellen und Finanzen! Schwierig.

Severin: Aus dem Bauch heraus würde ich sagen: Abbau. (Alle lachen) Wenn die Party bis neun Uhr morgens geht und man dann direkt im Anschluss abbauen und sauber machen muss, darauf würde ich gerne verzichten.

Nadja: Abbau, Nachbereitung, Excel-Tabellen - ne! Das ist ein bisschen Pain.

Das kann ich gut nachvollziehen. Worauf kann man sich einstellen, wenn man eure Veranstaltungen besucht?

Eve: Dass man sehr viele Leute trifft, die man kennt und dass es immer ein bisschen was anderes ist.

Nadja: Dass es sich lohnt, früh zu kommen, weil es oft interaktive Workshops gibt, wo man vielleicht einfach mal gemeinsam ein bisschen rum trommelt oder Graffiti-Workshops macht.

Wenn man auf eine Veranstaltung kommt, muss man damit rechnen, dass man auch was machen muss! Nicht nur Tanzen (lacht), es gibt viel zu entdecken und zu tun.

Severin: Dass man nicht nur Freunde trifft, sondern auch Freunde macht. Die Menschen, die da sind, sind meistens extrem offen und man kommt mit jedem ins Gespräch. Wir haben in der Regel eine Chill-Area, wo man sich entspannen kann und man beobachtet oft, dass Leute da hängen bleiben und sich stundenlang unterhalten. Das ist mega schön und eben auch interaktiv.

Nadja: Und dass man ein bisschen aus dem Alltag herausgerissen wird! Auf einmal ist man im siebten Himmel.

Foto: Daniel Schmidtmann

Ihr schafft ein kleines Paralleluniversum. Es kommt rüber, dass ihr Kunst sehr stark mit Musik und Feiern verschmelzen lasst. Wieso glaubt ihr, dass diese Sachen so gut Hand in Hand gehen?

Eve: Um alle möglichen Sinne zu bedienen. Wenn ich feiern gehe und ich habe vielleicht gerade keine Lust zu tanzen oder meine Beine sind müde, dann kann ich mir irgendwas anschauen.

Wir mögen diese interaktiven Elemente, dass man immer irgendwas spielen und das innere Kind rauslassen kann. Das ist Teil von diesem Paralleluniversum: diesen Club- und Feier-Begriff zu erweitern. Denn eigentlich sind wir doch alle Kinder, die Lust haben, sich auszutoben, auszuleben, zu malen und etwas zu entdecken.

So wollen wir einen Raum bieten für verschiedene Kunstrichtungen. Musik ist natürlich einer der wichtigsten Teile bei so einer Veranstaltung, aber es gibt eben auch ganz viele Wände, die man behängen und viel Kunst, die man anschauen kann.

Es ist dadurch auch die Stärkung einer ganzen Künstler:innen-Gemeinschaft. Es gibt so viele krass kreative Leute, allein in unserem Umfeld. Wir sorgen zum Beispiel dafür, dass die Räume schön sind und die Musik gut klingt. Aber es gibt bei uns super viele Leute, die auf ganz andere Arten kompetent sind. Wir haben viele Freund:innen von der Kunsthochschule. Es gibt ja sowieso das Problem mit dem Mangel an Kulturräumen oder die Schwierigkeit, dass Leute sich mit Kunst nicht so einfach finanziell über Wasser halten können. Vielleicht trägt das auch in Zukunft einen Teil dazu bei, dass wir irgendwann eine größere Lobby haben und politisch und gesellschaftlich mehr bewegen können, dass Leute tatsächlich von ihrer Kunst leben können. Wenn wir da zusammenhalten, ist das ein guter Schritt in die richtige Richtung.

Mega schön erklärt. Habt ihr denn einen bestimmten Anspruch an die Musik, die ihr spielt? Wie würdet ihr sie beschreiben und worauf achtet ihr, wenn ihr DJs bucht?

Severin: Das ist abhängig von der Location und dem Motto für die Deko und Raumgestaltung. Ich finde, das muss Hand in Hand gehen, um eine Raumatmosphäre zu schaffen. Wir versuchen ein vielfältiges Musikangebot zu bieten und jedem Event seinen eigenen Sound zu verleihen. Wichtig für uns ist es auch immer, jemanden zu haben, der noch am Anfang steht und Lust hat, sich auszuprobieren. Wie in vielen Bereichen und vor allem in der Musik ist es leider noch immer so, dass Männer dominieren. Deswegen ist für uns ein durchmischtes Lineup essentiell. Die Musik muss einfach zum Event passen. Danach suchen wir die Leute hauptsächlich aus. Doch es ist schön, wenn man jemanden kennt, der von der Musik passt und den man sowieso sympathisch findet.

Wir hatten schon Veranstaltungen, wo alles dabei war, von House bis zu Schranz. Es ist oft schwierig, eine grade Linie zu finden, auf der viele von uns spielen können und auch externe Leute. Es ist nicht leicht, das Ganze in ein Genre zu packen, bis auf elektronische Musik eben.

Was macht eine Party neben guter Musik für euch zu einer guten Party?

Nadja: Es ist in erster Linie ein Gefühl. Man fühlt sich wohl, man kann ausgelassen tanzen, es gibt ein gutes Awareness-Konzept, man hat die Möglichkeit, raus zu gehen, man hat die Option, sich hinzusetzen und zu entspannen.

Severin: Für mich ist es die Energie und die Offenheit der Menschen. Wie man sich gegenüber auftritt und sich gegenseitig behandelt. Das merkt man, wenn man an jemandem vorbei geht und sich aus Versehen anstößt oder so. Dann lächelt man sich an und entschuldigt sich, manchmal entwickelt sich ein Gespräch. Hinsetzen finde ich auch wichtig (alle lachen). Oder dass man sich nach ein paar Stunden Tanzen ein bisschen Wasser, Obst und Gemüse holen kann, um Vitamine zu tanken.

Nadja: Die Anlage ist auch wichtig. Es ist nicht schön, wenn sie zu laut ist oder kratzt. Man sollte keine bleibenden Schäden vom Event tragen. (Lacht)

Foto: Daniel Schmidtmann

Das wäre natürlich optimal. Was haltet ihr denn allgemein von der Technoszene hier im Rhein-Main-Gebiet?

Nadja: Grundsätzlich haben wir hier vor allem in Frankfurt eine sehr etablierte Szene. Sie hat sich meiner Meinung nach sehr gewandelt. Techno ist keine Nische mehr, sondern umfasst auf einmal ein sehr breites Spektrum. Dinge, die man vorher nicht unter Techno verstanden hat, sind auf einmal auch Techno. Alles ist ein bisschen mehr Mainstream, würde ich sagen. Dadurch haben sich die Techno-Veranstaltungen ein bisschen aufgesplittet in zwei verschiedene Richtungen: Wenn man das Kabinett betrachtet, dann ist das so eine ganz eigene Form von Veranstaltung im Gegensatz zu vielleicht dem Tanzhaus West. Beide haben ihre Daseinsberechtigung, aber es sind komplett verschiedene Auffassungen von Techno. Es ist eine sehr vielschichtige Szene.

Eve: Ich finde es gut, schon im Vorhinein zu checken, ob das jetzt wirklich mein Publikum ist. Das messe ich an Sachen wie: Gibt es vorher Disclaimer zum Verhalten, gibt es ein Awareness-Team, wie ist die Kommunikation, wie ist das Lineup? Ich spreche jetzt für mich, aber ist das Lineup durchgemischt oder sind es wieder dieselben weißen Cis-Dudes, die auf jeder Veranstaltung spielen und ihre Shirts irgendwann ausziehen? Davon kann man schon viel ableiten.

Ich beobachte auch mit zunehmender Sorge die Kommerzialisierung. Auf der einen Seite, klar, das ist irgendwo wichtig, um eine Veranstaltungsreihe voranzubringen und zu vermarkten, aber diese persönliche Vermarktung, also, dass Leute nur mit ihren Handys rumrennen und sich gegenseitig filmen oder fotografieren, stört mich. Deswegen ist es auch ein guter Marker, wenn Handys abgeklebt werden und man am Eingang darauf hingewiesen wird, wie man sich zu verhalten hat. Wenn es Leute gibt, die das feiern und für die das okay ist, dann ist das schön, aber ich gehe auf solche Veranstaltungen nicht. Ich finde aber, dass man höhere Standards setzen kann und deshalb haben wir einen höheren Anspruch an uns selbst wenn wir selbst veranstalten.

Dass Süßmäuse einfach Süßmäuse sein können und so kommen können, wie sie sich fühlen, ohne sich beobachtet oder eingeschränkt fühlen zu müssen. Ich finde es toll, dass die Szene queerer und offener wird. Deswegen ist es wichtig, Standards zu setzen und zu erhalten. Wenn wir und andere Kollektive dazu beitragen können, ist das super.

Severin: Was mir Sorgen macht, ist, dass Social Media die Szene so extrem beeinflusst. Für mein Empfinden leider eher negativ. Dieses achtsame und gemeinschaftliche Feiern zerbricht irgendwie. Es ist viel Profilieren durch Outfits und das gegenseitige Bewerten. Das mit den Handys geht für mich gar nicht. Es ist ja ein Ort, an dem man in einem Paralleluniversum sein möchte. Solche Sachen machen die Energie und den Vibe kaputt. Wenn andere Leute das feiern, ist das aber auch legitim. Aber ich hatte oft das Gefühl, die Leute sind gar nicht wegen der Musik und Gemeinschaft hier, sondern um zu zeigen, dass sie auch auf “Techno-Raves” gehen.

Nadja: Das ist vor allem bei der jüngeren Generation angekommen. Da sind Menschen dabei, die sehr unachtsam irgendwelche Substanzen konsumieren und das sieht man, glaube ich, auch viel auf TikTok. Das finde ich sehr erschreckend. In diese Richtung sollte die Szene nicht gehen, denn das wäre sehr schade.

Da sprecht ihr echt spannende Punkte an: Wie könnt ihr als Kollektiv diesen Entwicklungen entgegenwirken und wie tut ihr es vielleicht auch schon?

Eve: Ich glaube, da ist Aufklärung super wichtig. Wie bereits gesagt, versuchen wir, unsere Awareness-Standards hochzuhalten und uns stetig weiterzuentwickeln. Wir kommen alle nicht aus dem sozialen oder medizinischen Bereich. Wir machen das mit bestem Wissen und Gewissen und eben unserem gesunden Menschenverstand. Das hat uns bereits in mehreren Situationen gute Dienste erwiesen, doch wir merken, dass wir mit zunehmender Größe immer mehr Herausforderungen ausgesetzt werden. Da müssen wir aufpassen, dass wir korrekt handeln, denn wir tragen eine riesige Verantwortung.

Es gibt Awareness-Schulungen, die zu Kollektiven kommen, von Leuten aus dem sozialen und medizinischen Bereich. Die weisen uns ein, bereiten uns auf Vorfälle vor und zeigen uns, wie man sich in bestimmten Situationen verhält.

Oder vielleicht auch mal jemand, der Workshops gibt zu Konsumkompetenz oder Drogenaufklärung, dass man da verschiedene Bereiche abdeckt. Wir wissen schon sehr viel, aber wir schreiben uns auf keinen Fall auf die Fahne, die absoluten Profis zu sein. Wir geben den Leuten einen Raum, die das kompetent rüberbringen können.

Nadja: Genau und auch, dass wir aktiv sagen: “Come as you are”. Wenn du Bock hast, komm komplett casual oder ganz bunt. Versuch dich nicht in diese "Techno-Raver-Norm" reinzupressen. Mach, worauf du Lust hast.

Foto: Daniel Schmidtmann

Was würdet ihr Leuten raten, die selber Lust haben, ein Kollektiv zu gründen?

Nadja: Do it! Wenn man schon eine Idee hat, sollte man es versuchen. Man wächst an seinen Aufgaben und mit den Veranstaltungen, die man macht. Am Anfang läuft vielleicht super viel schief und das ist auch voll okay. Man sollte vielleicht erst mal einen kleinen Testlauf machen mit Freund:innen, mit denen man sich wohlfühlt und dann ist es auch egal, ob wie bei uns zum Beispiel die Bassboxen plötzlich nicht mehr funktionieren. (Lacht)

Eve: Vielleicht auch von Anfang an nicht die höchsten Ziele stecken. Klein anfangen!

Severin: Auf andere Leute und Kollektive zugehen. Wir sind da total offen. Wenn jemand etwas ausprobieren möchte, könnt ihr auch einfach zu uns kommen und fragen "Ey, wie habt ihr dies und das gemacht?” oder “Wie regelt ihr das?” Besonders hier im Rhein-Main-Gebiet ist man super vernetzt und man unterstützt sich, was ich mega schön finde. Aus Berlin höre ich zum Beispiel, dass alles eher Konkurrenz ist.

Einfach nachfragen. Es ist mega toll, wenn jemand neue Ideen hat und Erfahrungswerte nachfragt. Das ist wichtig. Das haben wir auch gemacht.

Eve: Tipps eingeholt, einen Van ausgeliehen und so weiter!

Das klingt wirklich hilfreich. Jetzt sagt doch mal: Wieso sollte man auf eure nächste Veranstaltung kommen?

Eve: Wir haben noch nichts Konkretes festgenagelt zur nächsten Veranstaltung. Aber man kann uns natürlich gerne folgen auf Instagram oder unserem Telegram-Newsletter. Und wieso solltet ihr kommen? Na, lest euch doch das Interview nochmal durch! (Lacht)

Severin: Lasst euch überraschen.

Ihr macht es spannend, finde ich gut. So machen wir direkt weiter und zwar mit der Einerseits-Tradition. Die letzte Frage kommt dieses Mal von Carlo und lautet: Was war deine schönste Reise?

Nadja: Für mich war es Mongolei. Das war die intensivste Reise, weil sie komplett anders war als alles andere. Wir haben in Jurten geschlafen, waren ab vom Schuss, ohne Netz. Super viel Weite und schöne Natur. Wir sind auf Pferden geritten, mein persönliches Highlight! Wir haben ein komplett anderes Leben kennengelernt.

Eve: Ich war auf Hawaii. Ein absolutes Traum-Paradies. Es ist wunderschön, es ist noch viel schöner, als man es sich vorstellt. Vielfältige Landschaft: Canyons und Tropen und riesige Berge. Ich war surfen, hab die leckersten Mangos gegessen und auf einer Farm übernachtet, wo wir die Papayas frisch vom Baum gepflückt haben. Es war toll.

Severin: Ich hatte viele schöne Reisen. Mongolei fand ich sehr schön, weil es was ganz anderes war. Ein großes Abenteuer. In Mexiko habe ich ein bisschen zu mir gefunden, irgendwie. Das war eher ein spiritueller Urlaub, würde ich sagen. Das schönste Land ist für mich Neuseeland. Das hat alles, was mein Herz begehrt.

Nadja: Wir brauchen noch etwas Philosophisches: Die schönste Reise ist das Leben an sich!

Vielen Dank liebe Eve, Nadja und lieber Severin. Ich wünsche euch, dem Conti und allen beteiligten Süßmäusen nur das Beste! Ihr seid toll.

Folgt Continuum doch gerne auf Instagram oder Telegram, um auf dem Laufenden zu bleiben.

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