Energy! Emotional! Überraschend! Indie?

Urbannino im Interview

Fotos:
@paul.pokes
Urbannino beim Konzert
Urbannino beim Konzert
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„Meine Ma heißt eigentlich gebürtig „Müller“ mit Nachnamen und hätte fast mal ´nen Typen mit dem Nachnamen „Maus“ geheiratet – dann wär ich vielleicht jetzt die Müllermausnino …“ scherzt Urbannino, während er über den Ursprung seines Pseudonyms spricht. Zur Erklärung: Mit Nachnamen heißt er „Urban“, „Niño“ (zu deutsch: „Kind“) wurde hintendran gehängt – und fertig ist das Stadtkind!

Stadtkind sei er schon immer gewesen. Aufgewachsen in Wiesbaden, war ihm die Landeshauptstadt jedoch irgendwann zu klein. „Ich kam nach 2,5 Jahren Reisen im Ausland wieder zurück und hab’s ehrlich gesagt nicht mehr so richtig in Wiesbaden ausgehalten. Ich glaube, dort hätten mir die Möglichkeiten gefehlt. Die Stadt verpennt, ihrer Jugend was zu bieten, das ist derbe doof. Stadt Wiesbaden, macht mal was! Nicht immer nur sabbeln und Weinfeste machen, auch mal Jugendräume erschließen und Nachtleben integrieren!“

Urbannino Portrait
@lucanorak / @eiundrund

Die Wahl fiel vor drei Jahren schlussendlich auf Hamburg. „Dort fing ich an, mich und die Musik wirklich ernst zu nehmen.“ Mit seinem Produzenten DeeLou („auch das basiert volle Möhre auf Zufall, DeeLou kenne ich von einer Insel in Kambodscha, auf der wir beide zeitgleich gestrandet sind“) verbrachte er unzählige Nächte im Studio und hat nach eigener Aussage „einfach durchgezogen“.

Fakt ist also: Ohne Hamburg hätte es Urbannino vermutlich musikalisch nicht dahin geschafft, wo er sich heute befindet. Diesen Status quo beschreibt er so: „Energy! Emotional! Energiegeladen! Indie?“ Passt, da gehe ich mit. Ähnliches ist mir durch den Kopf gegangen, als ich den Newcomer zum ersten Mal in der Kreativfabrik in seiner Heimatstadt Wiesbaden live gesehen habe.

Der Spaß, den Urbannino offensichtlich auf der Bühne hat, steckt einfach an. Ein Blick durch die Menge reichte, um festzustellen, dass es nicht nur mir so ging: Ich befand mich inmitten tanzender Menschen, euphorischer Gesichter, lautem Mitsingen und ein paar verdrückten Tränen. Woher nimmt man so eine Bühnenpräsenz?

„Ich liebe einfach Livemusik. Ich will, dass alle da raus gehen, inklusive mir selbst, und einfach voll happy sind. Ich kann das gar nicht so richtig beschreiben, das ist voll der Rauschzustand, in den man da kommt! Ich hatte tatsächlich noch nie Probleme beim Performen, voll lucky! Ich war aber auch immer gut in Referaten und im Improvisieren von Vorträgen. Vielleicht sollte ich eine Talkshow bekommen, das wäre toll. Bitte auf Vox, dienstags um 12:45.“ Haha. Auf seine Auftritte bereite er sich so vor: „Wasser trinken, blubbern, einsingen, nervös werden, dann sagen: ,FUCK DAS WIRD GEIL’, dann meistens Brutalismus3000 auf so 100.000 dB ins Ohr und einatmen – Chaos!“

… und los geht es mit Synthesizern, starken Drums und minimalistischen Rhythmen, begleitet von melancholischen und doch hedonistischen, ironischen Texten. All das schreit ja förmlich: (Neue) Neue Deutsche Welle! Die Einflüsse sind unverkennbar und werden noch deutlicher, wenn man genauer hinhört: Mama, der Mann mit dem Koks ist da / Nein, ich hab ihn nicht bestellt, weil ich nicht kokse, Mann! im Track „Psychokiller“ oder Ich weiß, das Eis ist dünn / auf dem ich mich mit Feelings grad beweg / Ich will ein Eisbär sein, dann wäre alles so klar / Ich will ein Eisbär sein, ja, im kalten Polar in seinem Song „Babyblau“.

Ganz so einfach ist es aber nicht. Urbannino nur in die Schublade Neue Neue Deutsche Welle zu stecken, würde ihm und seiner Musik schlichtweg nicht gerecht werden. „Ich mag es nicht, wenn Menschen durch einen Genrebegriff ihre Individualität verlieren. Wir sind alle kernverschiedene Charaktere, sowohl musikalisch als auch menschlich. Das ist wichtig zu betonen, weil man den Menschen durch eine Reduzierung auf ein einzelnes Genre ihre Werdegänge oder Ideale absprechen würde. Musik lebt von Referenzen, Sampling ist in jedem Genre ein Thema, ob in Beats oder Gesang, ob auf Covern oder in Videos – dementsprechend habe ich keine Schwierigkeiten, würde ich mal ganz frech sagen, meinen Stil zu halten, ohne wirklich dolle zu kopieren. ‚Steal like an Artist’ ist das Stichwort (lacht). Ich wollte mich noch nie gern festlegen bei Musik, ich finde so vieles cool.“ Im Text Referenzen zu setzen, das habe er schon immer gerne gemocht. Das sei seine Art, der Musik, die ihn bewegt, Tribut zu zollen.

Urbannino Portrait
@lucanorak / @eiundrund

Die Anfänge seines Werdegangs befinden sich im Rap. Sein erster großer Hit „Ein, zwei Mal die Woche“ aus 2021 zählt noch heute die meisten seiner Streams auf Spotify. Woher kam der Wandel zum aktuellen Sound?

„Ich hatte gar keinen Bock mehr auf Rap to be honest. Ich find’ das mega kacke, dass Rap größtenteils so frauenfeindlich ist, dass das so akzeptiert und dann auch noch gefeiert wird – fühl ich nicht. Ich höre sau gerne Rap, wenn er gut ist, aber möchte selbst auf gar keinen Fall Teil von sowas sein. Außerdem hat sich durch mein Umfeld in Hamburg und durch die Lust, auch mal andere Sachen zu produzieren, einfach so ein Werdegang zu dem, was ich jetzt mache, entwickelt.“

Eine aktive Politisierung findet zunehmend Relevanz in der Generation Z, zu der auch Urbannino zählt. Zwar finden sich in seinen Texten wenige direkte politische Forderungen, dennoch geht mit seiner Haltung eine deutliche Positionierung einher. „Viele, wenn nicht alle der Artists, die ich kennenlernen konnte, sind links. Durch diesen Konsens kommt natürlich irgendwo im Text auch ein antikapitalistisches Momentum in Gange, unter dem man Schnelligkeit, Konsum, Patriarchat etc. ablehnt und/oder kritisiert, eben auch in der Musik.“

Spult man zu den Anfängen der Neuen Deutschen Welle zurück, stößt man auf den Kalten Krieg, gewaltsame Reaktionen der Staatsmacht gegenüber der Friedens- und Anti-Atomkraft-Bewegung und die Terroranschläge der linksradikalen RAF. Die Jugend fing an, nach neuen Formen der Rebellion zu suchen und fand diese im Punk, aus dem sich nach und nach das entwickelte, was wir heute unter der Neuen Deutschen Welle verstehen.

Ähnliches kann man aktuell bei vielen Jugendlichen beobachten. „Einige Artists hatten durch die Pandemie, den Beginn der russischen Invasion in die Ukraine, der Revolution im Iran und vielen schrecklichen Klimakatastrophen irgendwie eine Möglichkeit – so traurig es ist – den Leuten emotional wieder mit Musik näher zu kommen. Einfach, weil die Grundstimmung bei vielen ähnlich ist. Morgen geht die Welt unter Part 2. Die Darstellung der Person hinter der Musik wird dadurch natürlich auch nochmal wichtiger – weil die jungen Menschen aus unserer Bubble durch die Geschehnisse unserer Zeit deutlich politisierter sind und wissen wollen, ob die Menschen, deren Kram sie da hören, ihre Werte vertreten.“

Auch die schnelle Digitalisierung, Leistungsdruck, die dadurch entstehende Überforderung und die allzeit präsente fear of missing out tragen zum Zeitalter der allgemeinen Verwirrung bei. Anspielungen darauf finden sich in einigen Songs von Urbannino, siehe „Datalove“: Ich check nicht, was du machst, du checkst nicht, was du machst / Wir haben seit Tagen nicht geschrieben und jetzt likest du mein Bild, hä / Du hast mich geghostet, ich hab dich geghostet / Liebe digital, das ist so richtig hart dystopisch oder „Internet“: Ich bin lost ohne dich, ich bin verloren im Sumpf / Von Datennetzwerken und Tabs, die Musik spielen im Hintergrund / Mein Kopf geht auf Reise, checke Kleinanzeigen-Preise / Für Geschenke, die ich dir kauf, so als Liebesbeweise. Ironie off.

Surprise: Auch wir, die Generation Z, haben nicht immer Bock auf digitalen Medienkonsum und erkennen die Gefahren dahinter. Was dennoch bleibt, ist das Dilemma der nahezu unausweichlichen Vermarktung auf Social Media Plattformen. „Ich würde gerne einfach Musik machen und Leute hören das. Aber ich würde halt auch gerne meine Miete bezahlen können. Dementsprechend ist die Eigenwerbung für die Musik natürlich unabdinglich. Kann man sich aber auch halbwegs angenehm gestalten, I try.“

Urbannino Portrait
@lucanorak / @eiundrund

Apropos Vermarktung: Wer steckt eigentlich hinter Urbannino? Ist Urbannino ein Alter Ego? Oder durch und durch die Privatperson?

„Ich glaube, ich bin privat deutlich chaotischer. Diese Urbannino-Sache ist größtenteils ja schon geplant und strukturiert. Emotional gesehen ist da aber kaum ein Unterschied. Ich würde mich jetzt nicht als den selbstbewusstesten Menschen ever bezeichnen, aber ich bin auch auf gar keinen Fall schüchtern. Das einzige, was ich privat kann, was ich in der Musik nicht machen kann oder möchte, ist offen auch mal jemanden scheiße zu finden. Ich kann mich ja nicht auf die Bühne stellen und sagen: ,Person XY ist total doof’. Aber privat geht das schon ziemlich gut. Fazit: Urbannino und ich, wir verstehen uns gut!“

Irgendwo auch naheliegend, wenn man bedenkt, wie viele von Urbanninos Texten persönliche Themen beinhalten. Das helfe ihm beim Verarbeiten von Emotionen. „Alle haben Gefühle, alle sind mal traurig, alle sind mal heartbroken, alle sind mal glücklich, wieso also verstecken, was so menschlich ist?“ Sein kreativer Prozess beginne oft in Gesprächen mit Freund:innen. „Ich lieb’s, wenn Leute so Sätze sagen, die ich mir für Songs schnappen kann. ,In Venezuela verhungern Tiere im Zoo’ ist zum Beispiel ein Satz, den mein Freund Jannis mal vorgelesen hat, als wir Kaffee getrunken haben. Ich musste den einfach benutzen für irgendwas.“

Genau so menschlich und bodenständig, wie ich Urbannino in unserem Interview kennengelernt habe, gestalten sich auch seine Wünsche für die Zukunft: „Zufrieden und in Ruhe von Musik leben können. Mehr will ich gar nicht. Alles andere soll so passieren wie’s kommt. Ich hätt gern’ einen Gemüsegarten und eine schöne Küche. Einen Dachshund noch dazu und viel Zeit für mich selbst, meine allertollste, liebste Line – Hallo an der Stelle! – meine Freunde und meine Musik. Das alles, bevor die Welt untergeht. Ich hätt’ gern mindestens noch zehn gute Jahre.“ Tja, manchmal kann es so einfach sein!

Worauf wir glücklicherweise keine zehn Jahre mehr warten müssen, ist neue Musik von Urbannino. Schon diesen Monat sollen eigene neue Solo-Releases rauskommen – inklusive neuer Videos, Sounds und Looks. Für die Rätselliebhaber:innen unter uns: In den in den Text eingebundenen Zitaten Urbanninos’ haben sich sowohl der Titel seines anstehenden Projekts als auch der Titel für das, was er nächstes Jahr vorhat, versteckt. Wo genau, hat er auch mir nicht verraten. Wir bleiben gespannt.

Abschließend darf auch hier natürlich nicht die bei dem Einerseits Magazin traditionelle Frage von der zuletzt interviewten Person fehlen. In diesem Fall kommt diese lustigerweise von SALÒ, mit dem Urbannino auch ein paar Features hat: Welches ist dein Lieblingstier?

„Hallo Papa! Ich glaube, ich bin aktuell Team Schnabeltier. Geiles Konzept von der Natur. Kann man echt nicht meckern. Kerniges Kloakentier, glatte 10 von 10.“

Wen die Lust gepackt hat, Urbannino live zu sehen, kann das am 20. Oktober im Kulturclub schon schön in Mainz tun. Tickets gibt es hier.

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„Meine Ma heißt eigentlich gebürtig „Müller“ mit Nachnamen und hätte fast mal ´nen Typen mit dem Nachnamen „Maus“ geheiratet – dann wär ich vielleicht jetzt die Müllermausnino …“ scherzt Urbannino, während er über den Ursprung seines Pseudonyms spricht. Zur Erklärung: Mit Nachnamen heißt er „Urban“, „Niño“ (zu deutsch: „Kind“) wurde hintendran gehängt – und fertig ist das Stadtkind!

Stadtkind sei er schon immer gewesen. Aufgewachsen in Wiesbaden, war ihm die Landeshauptstadt jedoch irgendwann zu klein. „Ich kam nach 2,5 Jahren Reisen im Ausland wieder zurück und hab’s ehrlich gesagt nicht mehr so richtig in Wiesbaden ausgehalten. Ich glaube, dort hätten mir die Möglichkeiten gefehlt. Die Stadt verpennt, ihrer Jugend was zu bieten, das ist derbe doof. Stadt Wiesbaden, macht mal was! Nicht immer nur sabbeln und Weinfeste machen, auch mal Jugendräume erschließen und Nachtleben integrieren!“

Urbannino Portrait
@lucanorak / @eiundrund

Die Wahl fiel vor drei Jahren schlussendlich auf Hamburg. „Dort fing ich an, mich und die Musik wirklich ernst zu nehmen.“ Mit seinem Produzenten DeeLou („auch das basiert volle Möhre auf Zufall, DeeLou kenne ich von einer Insel in Kambodscha, auf der wir beide zeitgleich gestrandet sind“) verbrachte er unzählige Nächte im Studio und hat nach eigener Aussage „einfach durchgezogen“.

Fakt ist also: Ohne Hamburg hätte es Urbannino vermutlich musikalisch nicht dahin geschafft, wo er sich heute befindet. Diesen Status quo beschreibt er so: „Energy! Emotional! Energiegeladen! Indie?“ Passt, da gehe ich mit. Ähnliches ist mir durch den Kopf gegangen, als ich den Newcomer zum ersten Mal in der Kreativfabrik in seiner Heimatstadt Wiesbaden live gesehen habe.

Der Spaß, den Urbannino offensichtlich auf der Bühne hat, steckt einfach an. Ein Blick durch die Menge reichte, um festzustellen, dass es nicht nur mir so ging: Ich befand mich inmitten tanzender Menschen, euphorischer Gesichter, lautem Mitsingen und ein paar verdrückten Tränen. Woher nimmt man so eine Bühnenpräsenz?

„Ich liebe einfach Livemusik. Ich will, dass alle da raus gehen, inklusive mir selbst, und einfach voll happy sind. Ich kann das gar nicht so richtig beschreiben, das ist voll der Rauschzustand, in den man da kommt! Ich hatte tatsächlich noch nie Probleme beim Performen, voll lucky! Ich war aber auch immer gut in Referaten und im Improvisieren von Vorträgen. Vielleicht sollte ich eine Talkshow bekommen, das wäre toll. Bitte auf Vox, dienstags um 12:45.“ Haha. Auf seine Auftritte bereite er sich so vor: „Wasser trinken, blubbern, einsingen, nervös werden, dann sagen: ,FUCK DAS WIRD GEIL’, dann meistens Brutalismus3000 auf so 100.000 dB ins Ohr und einatmen – Chaos!“

… und los geht es mit Synthesizern, starken Drums und minimalistischen Rhythmen, begleitet von melancholischen und doch hedonistischen, ironischen Texten. All das schreit ja förmlich: (Neue) Neue Deutsche Welle! Die Einflüsse sind unverkennbar und werden noch deutlicher, wenn man genauer hinhört: Mama, der Mann mit dem Koks ist da / Nein, ich hab ihn nicht bestellt, weil ich nicht kokse, Mann! im Track „Psychokiller“ oder Ich weiß, das Eis ist dünn / auf dem ich mich mit Feelings grad beweg / Ich will ein Eisbär sein, dann wäre alles so klar / Ich will ein Eisbär sein, ja, im kalten Polar in seinem Song „Babyblau“.

Ganz so einfach ist es aber nicht. Urbannino nur in die Schublade Neue Neue Deutsche Welle zu stecken, würde ihm und seiner Musik schlichtweg nicht gerecht werden. „Ich mag es nicht, wenn Menschen durch einen Genrebegriff ihre Individualität verlieren. Wir sind alle kernverschiedene Charaktere, sowohl musikalisch als auch menschlich. Das ist wichtig zu betonen, weil man den Menschen durch eine Reduzierung auf ein einzelnes Genre ihre Werdegänge oder Ideale absprechen würde. Musik lebt von Referenzen, Sampling ist in jedem Genre ein Thema, ob in Beats oder Gesang, ob auf Covern oder in Videos – dementsprechend habe ich keine Schwierigkeiten, würde ich mal ganz frech sagen, meinen Stil zu halten, ohne wirklich dolle zu kopieren. ‚Steal like an Artist’ ist das Stichwort (lacht). Ich wollte mich noch nie gern festlegen bei Musik, ich finde so vieles cool.“ Im Text Referenzen zu setzen, das habe er schon immer gerne gemocht. Das sei seine Art, der Musik, die ihn bewegt, Tribut zu zollen.

Urbannino Portrait
@lucanorak / @eiundrund

Die Anfänge seines Werdegangs befinden sich im Rap. Sein erster großer Hit „Ein, zwei Mal die Woche“ aus 2021 zählt noch heute die meisten seiner Streams auf Spotify. Woher kam der Wandel zum aktuellen Sound?

„Ich hatte gar keinen Bock mehr auf Rap to be honest. Ich find’ das mega kacke, dass Rap größtenteils so frauenfeindlich ist, dass das so akzeptiert und dann auch noch gefeiert wird – fühl ich nicht. Ich höre sau gerne Rap, wenn er gut ist, aber möchte selbst auf gar keinen Fall Teil von sowas sein. Außerdem hat sich durch mein Umfeld in Hamburg und durch die Lust, auch mal andere Sachen zu produzieren, einfach so ein Werdegang zu dem, was ich jetzt mache, entwickelt.“

Eine aktive Politisierung findet zunehmend Relevanz in der Generation Z, zu der auch Urbannino zählt. Zwar finden sich in seinen Texten wenige direkte politische Forderungen, dennoch geht mit seiner Haltung eine deutliche Positionierung einher. „Viele, wenn nicht alle der Artists, die ich kennenlernen konnte, sind links. Durch diesen Konsens kommt natürlich irgendwo im Text auch ein antikapitalistisches Momentum in Gange, unter dem man Schnelligkeit, Konsum, Patriarchat etc. ablehnt und/oder kritisiert, eben auch in der Musik.“

Spult man zu den Anfängen der Neuen Deutschen Welle zurück, stößt man auf den Kalten Krieg, gewaltsame Reaktionen der Staatsmacht gegenüber der Friedens- und Anti-Atomkraft-Bewegung und die Terroranschläge der linksradikalen RAF. Die Jugend fing an, nach neuen Formen der Rebellion zu suchen und fand diese im Punk, aus dem sich nach und nach das entwickelte, was wir heute unter der Neuen Deutschen Welle verstehen.

Ähnliches kann man aktuell bei vielen Jugendlichen beobachten. „Einige Artists hatten durch die Pandemie, den Beginn der russischen Invasion in die Ukraine, der Revolution im Iran und vielen schrecklichen Klimakatastrophen irgendwie eine Möglichkeit – so traurig es ist – den Leuten emotional wieder mit Musik näher zu kommen. Einfach, weil die Grundstimmung bei vielen ähnlich ist. Morgen geht die Welt unter Part 2. Die Darstellung der Person hinter der Musik wird dadurch natürlich auch nochmal wichtiger – weil die jungen Menschen aus unserer Bubble durch die Geschehnisse unserer Zeit deutlich politisierter sind und wissen wollen, ob die Menschen, deren Kram sie da hören, ihre Werte vertreten.“

Auch die schnelle Digitalisierung, Leistungsdruck, die dadurch entstehende Überforderung und die allzeit präsente fear of missing out tragen zum Zeitalter der allgemeinen Verwirrung bei. Anspielungen darauf finden sich in einigen Songs von Urbannino, siehe „Datalove“: Ich check nicht, was du machst, du checkst nicht, was du machst / Wir haben seit Tagen nicht geschrieben und jetzt likest du mein Bild, hä / Du hast mich geghostet, ich hab dich geghostet / Liebe digital, das ist so richtig hart dystopisch oder „Internet“: Ich bin lost ohne dich, ich bin verloren im Sumpf / Von Datennetzwerken und Tabs, die Musik spielen im Hintergrund / Mein Kopf geht auf Reise, checke Kleinanzeigen-Preise / Für Geschenke, die ich dir kauf, so als Liebesbeweise. Ironie off.

Surprise: Auch wir, die Generation Z, haben nicht immer Bock auf digitalen Medienkonsum und erkennen die Gefahren dahinter. Was dennoch bleibt, ist das Dilemma der nahezu unausweichlichen Vermarktung auf Social Media Plattformen. „Ich würde gerne einfach Musik machen und Leute hören das. Aber ich würde halt auch gerne meine Miete bezahlen können. Dementsprechend ist die Eigenwerbung für die Musik natürlich unabdinglich. Kann man sich aber auch halbwegs angenehm gestalten, I try.“

Urbannino Portrait
@lucanorak / @eiundrund

Apropos Vermarktung: Wer steckt eigentlich hinter Urbannino? Ist Urbannino ein Alter Ego? Oder durch und durch die Privatperson?

„Ich glaube, ich bin privat deutlich chaotischer. Diese Urbannino-Sache ist größtenteils ja schon geplant und strukturiert. Emotional gesehen ist da aber kaum ein Unterschied. Ich würde mich jetzt nicht als den selbstbewusstesten Menschen ever bezeichnen, aber ich bin auch auf gar keinen Fall schüchtern. Das einzige, was ich privat kann, was ich in der Musik nicht machen kann oder möchte, ist offen auch mal jemanden scheiße zu finden. Ich kann mich ja nicht auf die Bühne stellen und sagen: ,Person XY ist total doof’. Aber privat geht das schon ziemlich gut. Fazit: Urbannino und ich, wir verstehen uns gut!“

Irgendwo auch naheliegend, wenn man bedenkt, wie viele von Urbanninos Texten persönliche Themen beinhalten. Das helfe ihm beim Verarbeiten von Emotionen. „Alle haben Gefühle, alle sind mal traurig, alle sind mal heartbroken, alle sind mal glücklich, wieso also verstecken, was so menschlich ist?“ Sein kreativer Prozess beginne oft in Gesprächen mit Freund:innen. „Ich lieb’s, wenn Leute so Sätze sagen, die ich mir für Songs schnappen kann. ,In Venezuela verhungern Tiere im Zoo’ ist zum Beispiel ein Satz, den mein Freund Jannis mal vorgelesen hat, als wir Kaffee getrunken haben. Ich musste den einfach benutzen für irgendwas.“

Genau so menschlich und bodenständig, wie ich Urbannino in unserem Interview kennengelernt habe, gestalten sich auch seine Wünsche für die Zukunft: „Zufrieden und in Ruhe von Musik leben können. Mehr will ich gar nicht. Alles andere soll so passieren wie’s kommt. Ich hätt gern’ einen Gemüsegarten und eine schöne Küche. Einen Dachshund noch dazu und viel Zeit für mich selbst, meine allertollste, liebste Line – Hallo an der Stelle! – meine Freunde und meine Musik. Das alles, bevor die Welt untergeht. Ich hätt’ gern mindestens noch zehn gute Jahre.“ Tja, manchmal kann es so einfach sein!

Worauf wir glücklicherweise keine zehn Jahre mehr warten müssen, ist neue Musik von Urbannino. Schon diesen Monat sollen eigene neue Solo-Releases rauskommen – inklusive neuer Videos, Sounds und Looks. Für die Rätselliebhaber:innen unter uns: In den in den Text eingebundenen Zitaten Urbanninos’ haben sich sowohl der Titel seines anstehenden Projekts als auch der Titel für das, was er nächstes Jahr vorhat, versteckt. Wo genau, hat er auch mir nicht verraten. Wir bleiben gespannt.

Abschließend darf auch hier natürlich nicht die bei dem Einerseits Magazin traditionelle Frage von der zuletzt interviewten Person fehlen. In diesem Fall kommt diese lustigerweise von SALÒ, mit dem Urbannino auch ein paar Features hat: Welches ist dein Lieblingstier?

„Hallo Papa! Ich glaube, ich bin aktuell Team Schnabeltier. Geiles Konzept von der Natur. Kann man echt nicht meckern. Kerniges Kloakentier, glatte 10 von 10.“

Wen die Lust gepackt hat, Urbannino live zu sehen, kann das am 20. Oktober im Kulturclub schon schön in Mainz tun. Tickets gibt es hier.

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